Sprechstörungen und deren mögliche Ursachen

Die Sprechstörung ist die Unfähigkeit, bestimmte Laute oder Lautgruppen motorisch umzusetzen und korrekt zu bilden. Es entstehen Fehlbildungen oder Ersetzungen durch einen anderen Laut

(z. B. Lispeln).

Mögliche Ursachen bei Erwachsenen

  • Zerebrovaskuläre Erkrankungen
  • Parkinson- Syndrom und ander Stammganglienerkrankungen
  • Schädel-Hirn-Traumata
  • Multiple Sklerose
  • Erkrankungen des motorischen Neurons z.B. Amyotrophe Lateralsklerose ALS
  • Degenerative Kleinhirnerkrankungen

 

Dysarthrie:

 

Zu dysarthrischen Störungen kommt es, wenn eine oder mehrere der folgenden Strukturen des zentralen oder peripheren Nervensystems betroffen sind:

 

  • Primär sensomotorischer Kortex und die davon absteigenden kortiko-fugalen Bahnen.
  • Im Hirnstamm gelegene Kerne der Hirnnerven ( V. VII. IX. X. XI. XII )
  • Für die Atmungskontrolle relevante motorische Kerne im zervikalen und thorakalen Rückenmark.
  • Eine Stammganglienschleife die von den motorischen Kortexareal über das Striatum und den ventrolateralen Thalamus zurück auf das supplementärmotorische Areal (SMA) und den dorsolateralen prämotorischen Kortex projiziert.
  • Kleinhirnschleife, die reziproke Verbindungsbahnen motorischer Kortexareale mit dem Kleinhirn umfasst.

BEZEICHNUNG

 

ERLÄUTERUNG

 

Schlaffe Parese

 

Sprechbewegungen sind durch eine schlaffe Lähmung gekennzeichnet, sie sind verlangsamt und in ihrer Amplitude eingeschränkt.

 

Spastische Parese

 

Sprechbewegungen sind durch eine Lähmung bei erhöhtem Tonus charakterisiert, die reflektorische und emotionale Beweglichkeit ist erhalten.

 

Rigor und Akinesie

 

Sprechbewegungen sind durch eine rigide Tonuserhöhung und / oder eine Akinesie beeinträchtig. Dies tritt zum Beispiel im Rahmen eines Parkinson-Syndroms auf.

 

Dyskinetische Störungsformen

 

Diese können ebenfalls als Folge einer Stammganglienschädigung auftreten. Dazu zählen verschiedene Formen unwillkürlicher Muskelaktivitäten, z.B. choreatische Störungen, Tics, Dystonien oder Myoklonien.

 

Ataxie

 

Sprechbewegungen sind durch Verlangsamung, Zielungenauigkeit (Dysmetrie), zeitliche und räumliche Koordinationsprobleme und Tremor gekennzeichnet.

 

Tremor

 

Unwillkürliche rhythmisch-oszillierende Bewegungen unterschiedlicher Frequenz von Kehlkopf, Gaumensegel, Zunge, Unterkiefer oder Lippen.

 

 


In vielen Fällen treten diese Pathomechanismen in unterschiedlichen Kombinationen auf und führen zu dysarthrischen Mischformen.

Erscheinungsbild

 

Sprechatmung

  • erhöhte Einatmungshäufigkeit, inadäquate Einantmungspausen
  • Überziehen der Atemmittellage, angestrengte Einatmung

Sprechstimme

  • Veränderte Tonhöhe oder Lautstärke
  • Veränderte Stimmqualität z. B. behaucht, rau oder gepresst, oder stimmlose Phonation (Flüstern)
  • Instabilität der Stimme z. B. Schwankungen von Tonhöhe oder Lautstärke, Tonhöhensprünge, Stimmabbrüche oder Stimmzittern

Artikulation

  • Veränderte Vokalartikulation z.B. Zentralisierung, Entrundung und Verkürzung.
  • Veränderte Konsonantenartikulation z.B. Lenisierung, Frontisierung, Spirantisierung
  • Hypernasalität oder nasaler Durchschlag
  • Hyponasalität oder Denasalierung

Prosodie

  • Verlangsamtes oder Beschleunigtes Sprechen
  • Unterbrechungen des Redeflusses durch Sprechpausen, Lautdehnungen
  • Veränderung des Akzents durch Fehlbetonungen, Dehnungen oder Verkürzungen von Silben
  • Veränderung der Intonation z. B. monotones Sprechen

Mögliche Ursachen bei Kindern

  • Daumen lutschen oder zu langes Schnuller saugen
  • Durch ein muskuläres Ungleichgewicht der Lippen und der Zunge (orofaziale Dysfunktion)
  • Falsch erworbene Artikulationsmuster
  • Bei Kindern mit einer Lippen-Kiefer-Gaumen- Spalte
  • Unzureichende Entwicklung des pheripheren Hörvermögens
  • Familiär gehäufte Artikulationsstörungen
  • Nach z.B. operativen Eingriffen im Bereich der Sprechorgane

 

 Übersicht über den Phonemerwerb (nach Fox 2003)

ALTER

 

ERWORBENE PHONEME

 

bis 1; 11 Jahren

 

/m /, / b /, / d /, / t /, / n /

 

bis 2; 5 Jahren

 

/ p /, / f /, / v /, / l /

 

bis 2; 11 Jahren

 

/ ch2 /, / g /, / k /, / h /, / R /, / pf /

 

bis 3; 5 Jahren

 

/ j /. / ng /

 

bis 4; 5 Jahren

 

/ s / und / ch1 / (wie bei: ICH)

 

bis 4; 11 Jahren

 

/ sch /

 

 

 

 

Erscheinungsbild

 

Fehlbildungen und Ersetzungen zeichnen sich durch Abweichungen in der Spontansprache aus:

  • konstante Fehlbildung oder Ersetzung eines Lautes
  • inkonstante Fehlbildungen zeigen sich nur bei hoher motorischer Anforderung
  • KEINE Auswirkung auf die Bedeutungsunterscheidung von Wörtern

Häufigste Fehlbildungen im Deutschen

  • "Lispeln" ( sigmatismus interdentalis, lateralis oder addentalis selten auch stridor)
  • Fehlbildung von  "SCH" (Schetismus)
  • Kombinationen von Sigmatismus und Schetismus

Diese Fehlbildungen kommen häufig in Kombination von phonologischen Störungen vor:

  • Fehlbildung von  "ch1" (Chizismus)
  • Fehlbildung von  "g"  (Gammazismus)
  • Fehlbildung von  " k" (Kappazismus)
  • Fehlbildung von  " R" (Rhotazismus)

Störungen des Redefluss

Stottersymptome

 

Kernsymptome

  • Blockierungen, Wiederhohlungen, Dehnungen
  • Abbruch von Sätzen und Umformulierungen
  • Auffällige Sprechatmung
  • Auffällige Stimmgebung
  • Begleitsymptome
  • Mimische Mitbewegungen z.B. Augen schließen
  • krampfartige Pressversuche
  • grobmotorische Mitbewegungen z.B.Kopfbewegungen
  • vegetative Symptome z.B. Erröten, Schwitzen
  • fehlender Blickkontakt

Poltersymptome

  • Veränderungen oder Auslassungen von Lauten oder Silben im Wort
  • erhöhte Sprechgeschwindigkeit
  • Beschleunigen der Sprechgeschwindigkeit innerhalb von Wörten oder Sätzen
  • Wiederhohlungen von Silben, Wörtern, Satzteilen
  • Einschübe, Floskeln
  • Veränderungen von Äußerungen

Weitere Symptome

  • morphologisch- syntaktische Auffälligkeiten z.B. falsche Reihenfolge der Wörter im Satz
  • lexikalisch- semantische Auffälligkeiten z.B. Wortfindungsstörungen
  • kommunikativ- pragmatische Auffälligkeiten z.B. Kommunikationsabbrüche
  • prosodische Auffälligkeiten z.B. monotone Intonation
  • Auffälligkeiten in der Aufmerksamkeit, Konzentration, Gedächtnis
  • mangeldes Störungsbewusstsein
  • Auffälligkeiten in der Atmung
  • Auffälligkeiten in der Schriftsprache
  • Auffälligkeiten in der auditiven Wahrnehmung